Einleitung zur Neuroästhetik

„Schönheit liegt im Auge des Betrachters“ und wir alle haben eine sehr subjektive Meinung davon, was schön ist oder nicht. Über allen einzelnen Meinungen über Schönheit gibt existiert ein Verständnis über Ästhetik, das über eine Gesellschaft, Kultur oder ganze Spezies gemeinsam haben. Neurowissenschaften versuchen Muster in unseren Bewertungsmechanismen zu finden, um zu verstehen, warum wir Dinge ästhetisch finden oder von Schönheit angezogen werden.

Was ist Neuroästhetik?

Ästhetik kann als die Philosophie des Schönen bezeichnet werden. Bereits in der Antike genoss die Schönheit einen hohen Stellenwert in Form der Göttin Aphrodite und wurde in den Reden von Aristoteles thematisiert (Gastmahl, Platons große Dialoge). Selbst Leonardo da Vinci und Albrecht Dürer studierten mathematische Formeln, um die Schönheit zu entschlüsseln. Alexander Baumgärtner gilt als Begründer der wissenschaftlichen Lehre vom Schönen und Gustav Fechner gründete die experimentelle Ästhetik mit dem Vorhaben, mit wissenschaftlichen Methoden die Schönheit zu entschlüsseln. Schließlich führte Semir Zekir den Begriff Neuroästhetik innerhalb der experimentellen Ästhetik ein. Sie alle folgen dem Ziel, eine Systematik hinter der Wahrnehmung von Schönheit zu identifizieren und ein Regelwerk des Schönheitsempfindens zu verfassen.

Was wir in der Gegenwart den alten Griechen voraus haben, sind die Neurowissenschaften: wir verstehen immer besser die Funktionsweise des menschlichen Gehirns. Neuroästhetik ist der Verbindung von neurowissenschaftlichen Wissen im Kontext der Wahrnehmung von Ästhetik.

Prozesse im Gehirn

Im präfrontalen Cortex (PFC) findet ein Großteil der Prozesse der visuellen Wahrnehmung, Entscheidungsfindung und Gedächtnis im Gehirn statt. Dem Orbito Frontal Cortex (OFC) wird eine wichtige Rolle bei der Bewertung von Ästhetik nachgesagt. In diesem Bereich finden ebenfalls Entscheidungsprozesse statt, mit engen Verknüpfungen mit dem Belohnungs- und emotionszentrum, während gleichzeitig soziale Kontakte gesteuert werden. Genauer gesagt entschlüsselt unser Gehirn an dieser Stelle den Wert einer Sache und entscheidet, wie wir mit dem Entschluss mit unserer Umwelt interagieren. Je schöner wir ein Gemälde finden, desto mehr wird diese Gehirnregion aktiviert. Diese Gehirnregion befindet sich nicht zufällig über unseren Augen und gilt als eine der komplexeren Orte in unserem Gehirn. Ob wir etwas ästhetisch finden ist deshalb eine unbewusste Entscheidung, für die wir belohnt werden können und Emotionen hervorrufen kann. Darüber hinaus konnten Untersuchungen eine enge Verknüpfung mit dem Insular Cortex (Inselrinde) nachweisen, die wiederum eng mit dem limbischen System verbunden ist. Zusammengefasst ist die Wahrnehmung und Bewertung von Ästhetik eng mit dem der Amygdala (Mandelkern), dem Emotionszentrum verbunden.

Beim Anblick von Hässlichkeit bleibt der Orbito Frontal Cortex eher kalt, stattdessen wird der Motor Cortex aktiviert. Dieser Bereich ist für die Bewegung zuständig. Das bedeutet, dass abstoßende Wahrnehmungen Ekel und Angst hervorrufen können und uns wortwörtlich in die Flucht schlagen.

Die Evolution als Schlüssel

Unser Gehirn ist das Ergebnis einer fortwährenden Entwicklung unserer Spezies. Unser Gehirn entwickelte sich im Laufe der Generationen kontinuierlich weiter (Evolution). Der Hirnstamm ist der älteste Teil unseres Gehirns und steuert Reflexe, Atmung, Herzschlag, Schlaf und Aufmerksamkeit. Das Großhirn wiederum ist für Logik, Sprache und Kreativität zuständig und bildete sich erst später im Verlauf der Evolution.

Die Bewertung von Schönheit ist mit der Entwicklung des Gehirns und dem Überleben unserer Spezies eng verbunden. Aus der Forschung wissen wir, dass „schöne“ Gesichter eher symmetrisch sind. Wenn sich die beiden Gesichtshälften möglichst gleichen, kann das eine Robustheit Parasiten sein. Schönheit ist in diesem Sinne mit guten Genen, Jugend oder Gesundheit gleichzusetzen. Wir empfinden das Schön, was gut für unser Überleben ist. Aus der evolutionären Perspektive ist es für uns vorteilhafter, sich nach dem Schönen zu streben und das Hässliche zu meiden.

Deshalb ist tief in unserer Wahrnehmung ein Bewertungsmechanismus implementiert, der Ästhetik bewertet. Dieser Mechanismus ist ständig aktiv und bewertet alles, was wir sehen: Menschen, Tiere, Autos und Umwelt.

An dieser Stelle sei gesagt, dass unser Schönheitsempfinden nicht nur evolutionär bedingt ist. Mindestens genauso bedeutsam ist erlerntes Verhalten. Durch unsere Kultur und Umwelt kalibrieren wir ebenfalls den Bewertungsmechanismus.

Zusammenfassung

Wenn Menschen vorgeworfen wird, oberflächlich zu sein, stimmt dies nur zum Teil. Genau gesagt folgen Menschen ihren inneren Instinkten und Funktionsweisen ihres Gehirns. Schönheit wirkt auf uns anziehend, weil Tief in unseren Genen der Instinkt verankert ist, dass Schönheit uns Vorteile bietet. Deshalb streben wir nach Schönheit und meiden Hässlichkeit.

Die Neuroästhetik hat mehrere Grundsätze etabliert, die auf den Bewertungsmechanismus unseres Gehirns basieren. In diesem Beitrag werden sie besprochen:

Weiterführende Literatur

Bridger, D. (2017). Neuro design: Neuromarketing insights to boost engagement and profitability. Kogan Page Publishers.

Schandry, R. (2016). Biologische Psychologie. 4. Auflage. Beltz

Raab, G., Unger, A., & Unger, F. (2010). Biologische Psychologie-Naturwissenschaftliche Grundlagen ökonomischen Verhaltens. In Marktpsychologie (pp. 245-267). Gabler.

Kawabata, H., & Zeki, S. (2004). Neural correlates of beauty. Journal of neurophysiology, 91(4), 1699-1705.

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